„Ich spreche für den Sozialismus“

Die EU veranstaltete einen Wirtschaftsgipfel mit den lateinamerikanischen Regierungen. Doch Chavez sprach lieber auf dem antikapitalistischen Gegengipfel.


Chavez und Morales beim Gegengipfel in Wien

Auf dem EU-Lateinamerika-Gipfel Mitte Mai in Wien wollten die europäischen Regierungen ihren Konzernen zu besseren Geschäften in Lateinamerika verhelfen. Doch Chavez und Morales nutzten den Gipfel, um ihre Kritik an Imperialismus und Kapitalismus in der Welt zu verbreiten.

Der bolivianische Senatspräsident Santos Ramirez erklärte zu Beginn: „Wir müssen den Neoliberalen auf diesem Gipfel den Krieg erklären.“ Dementsprechend warben Chavez und Morales für ihre Idee vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts. Sie verteidigten die Verstaatlichung von Gasfeldern und Raffinerien in Bolivien.

Morales erklärte: „Der Staat übernimmt damit den Profit und die totale und absolute Kontrolle über die Rohstoffe.“ Entschädigungen für die teilweise enteigneten Konzerne lehnte Morales ab. Stattdessen kündigte er an: „Die Verstaatlichung wird nicht bei den Öl- und Gasressourcen stoppen. Wir werden das auch auf großen Landbesitz ausdehnen.“ Morales versprach, in den nächsten zwei Wochen eine Landreform auszurufen und Großgrundbesitz zu beschlagnahmen, wie es Chavez in Venezuela schon getan hat.

Während des EU-Lateinamerika-Gipfels organisierten der Österreichische Gewerkschaftsbund, das globalisierungskritische Netzwerk Attac, die Wiener Grünen und andere Organisationen in Wien einen Gegengipfel. Mit 1300 Teilnehmern war es der größte linke Kongress in Österreich seit Jahren.

Höhepunkt des Gegengipfels war Chavez’ Abschlussrede, für die er sein Abendessen mit dem österreichischen Ministerpräsidenten Schüssel absagte. Stattdessen sprach er vor 4000 Linken auf einem früheren Fabrikgelände.

Sie empfingen den Präsidenten mit tosendem Beifall und Sprechchören wie: „ Uh, ah, Chavez no se va“ („Uh, ah, Chavez geht nicht weg“).
In seiner eineinhalbstündigen griff er vor allem den Kapitalismus und den US-amerikanischen Imperialismus an. Nur die Meinung der Weltöffentlichkeit könne dieser Übermacht etwas entgegensetzen, zitierte den antikapitalistischen Professor Noam Chomsky.

„Die Geschichte hat bewiesen dass es keine ewigen Imperien gibt. Dieses Jahrhundert müssen wir das nordamerikanische Imperium begraben.
Wir brauchen keine Atombomben. Denn wir sind die Atombomben. Ihr seid die Atombomben, die Bomben der Liebe, die Bomben der Leidenschaft, der Ideen und der Kraft“, rief er den Menschen zu.

Chavez zitierte Rosa Luxemburg und bekannte sich zu den Ideen von Karl Marx und Wladimir Lenin. Er verwies auf die Kraft der Bewegung, die Krise des Neoliberalismus und die Möglichkeit für eine andere Welt: „Der Neoliberalismus befindet sich im Niedergang und ist an einem Ende angelangt. Die Chancen für Lateinamerika, 300 Jahre Kolonialismus und 200 Jahre imperialistische, kapitalistische Unterdrückung zu überwinden, sind gar nicht schlecht.
Ich spreche für den Sozialismus. Die Kapitalisten sollen für den Kapitalismus eintreten, wir werden sehen was die Völker sagen. Lasst uns die Welt retten, Jugendliche!“ Obwohl Chavez sehr lange redete, blieben tausende bis zum Schluss, um mit ihm die Faust zum sozialistischen Gruß zu erheben und die „Internationale“ zu singen.

Außer Chavez berichteten auf dem Gegengipfel vor allem Vertreter sozialer Bewegungen aus Lateinamerika. Besonders interessant waren die Berichte aus Bolivien und Venezuela.

Ein Gewerkschaftsführer der neu gegründeten venezolanischen Gewerkschaft UNT erzählte, dass die Bewegungen weiter Druck auf Chavez und Morales machen werden: „Die Verstaatlichung und die Ausweitung der Mitbestimmung sind für uns noch kein Sozialismus. Es kommt darauf an, dass die Arbeiter die Kontrolle über die Produktion bekommen.“

Der Gegengipfel war auch für die österreichische Linke ein großer Erfolg. Wenn am 28. Juni US-Präsident Bush nach Wien kommt, werden erneut tausende Menschen zusammenkommen, um gegen seinen Imperialismus zu protestieren.

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