Auch Israel ist Terrorist

Steven Spielberg ist gegen Gewalt. Woher sie kommt, zeigt er nicht.

„Spielbergs ‚München’: Weckt er Sympathien für Terroristen?“, fragt Bild und zitiert dazu den rechten US-Journalisten Charles Krauthammer. Er ist Mitglied des „Projekt für ein Neues Amerikanisches Jahrhundert“.

Darin haben sich 1998 konservative Politiker, Journalisten und Wissenschaftler zusammengeschlossen, die für eine Neuordnung des Nahen Ostens im Interesse des US-Kapitals sind. US-Präsident Bush ist ihr Präsident und sein Krieg gegen Irak ist ihr Krieg.

Krauthammers Kritik zeigt, dass der Film diesen Kriegstreibern ein Dorn im Auge ist. Spielberg hat sich die richtigen Leute zum Feind gemacht. Trotzdem überwiegen die Schwächen seines Films.

Er erzählt, wie die israelische Regierung auf das Attentat der palästinensischen Gruppe „Schwarzer September“ bei den Olympischen Spielen 1972 in München reagierte. Sie entführten neun israelische Sportler und zwei Trainer und forderten von Israel, 232 gefangene Palästinenser freizulassen.

Nachdem die deutsche Polizei versucht hatte, die Geiselnehmer zu töten, waren die elf Israelis, fünf Palästinenser und ein Polizist tot. Dieser Schock konfrontierte die Westdeutschen praktisch über Nacht mit dem Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern, den die meisten bis dahin für ein regionales Problem gehalten hatten.

„München“ schildert die Geschichte von fünf israelischen Geheimagenten, die von Ministerpräsidentin Meir (Lynn Cohen) beauftragt werden, die Planer des Attentats zu ermorden. Die Hauptfigur Avner Kauffman (Eric Bana) kappt alle Kontakte zur Regierung und zu seiner Familie und bricht mit den anderen zu Mordaufträgen nach Europa auf.

Zunächst töten die Agenten Leute, die der israelische Geheimdienst für die Schuldigen hält. Doch bald bringen sie auch Menschen um, die nicht auf ihrer Liste stehen.

Kauffman und andere beginnen, an der Rechtmäßigkeit und dem Sinn ihrer mörderischen Arbeit zu zweifeln. Andere verteidigen die Attentate.

In einer wichtigen Szene wendet sich der ratlose Kauffman an seine Mutter. Er fragt, ob sie nicht wissen wolle, was er getan hat. Nein, antwortet sie: „Was immer es gekostet hat und was immer es noch kostet, so haben wir wenigstens einen Platz auf der Welt.“

Enttäuscht entwickelt sich Kauffman vom loyalen Befehlsempfänger zu einem von Zweifeln und Verfolgungswahn gepeinigten Mann. Beim letzten Treffen mit seinem Führungsoffizier in New York weigert er sich, nach Israel zurückzukehren.

Spielberg zeigt den politischen Konflikt als psychologisches Drama. Aber er lässt sich so viel Zeit für Action, dass die innere Entwicklung der Charaktere zwischen den Explosionen untergeht und sogar die Hauptfigur Kauffman unglaubwürdig bleibt.

Der Film stellt dar, dass der israelische Geheimdienst auf die Ermordung von Israelis mit der Ermordung von Arabern reagiert. Darauf folgen neue Attentate der wichtigsten palästinensischen Organisation PLO und so weiter.

Deshalb meint Krauthammer: „München, das Massaker, war nur eingeschränkt erfolgreich, mit dem Blut von elf Juden die palästinensische Sache zu befördern. ‚München’, der Film, hat den Erfolg jedoch 34 Jahre später vollkommen gemacht.“

Tatsächlich sind die zahlreichen Morde der israelischen Armee und des Geheimdienstes einer der Gründe für Attentate von Palästinensern. Dies zu zeigen, bedeutet jedoch nicht, das Töten unschuldiger Israelis zu rechtfertigen.

Doch Spielberg fragt nicht nach den Ursachen des Attentats von „Schwarzer September“. Obwohl der Film zwei-dreiviertel Stunden dauert, findet er keine Zeit, zu erwähnen, dass Israel 1948 nur als rein jüdischer Staat gegründet werden konnte, weil Terror-Organisationen wie „Irgun“ zuvor Massaker unter den Arabern anrichteten und hunderttausende vertrieben.

Seitdem leben die meisten Palästinenser verarmt und ohne Bürgerrechte in anderen arabischen Staaten. Erst über 20 Jahre später begannen sie mit dem militärischen Kampf gegen Israel.
Der Name „Schwarzer September“ bezeichnet den September 1970, als der jordanische König Hussein II. die PLO in Jordanien angriff, palästinensische Flüchtlingslager in Syrien bombardieren und tausende Menschen ermorden ließ.

Als Syrien Truppen zur Unterstützung der PLO schickte, ließ Israel Kampfflugzeuge aufsteigen und zwang damit die syrische Armee zum Rückzug. Damit war die Niederlage der PLO besiegelt.

Da diese Hintergründe fehlen, erscheinen die Attentäter des „Schwarzen September“ als durchgedrehter Haufen, der aus unbekannten Gründen plötzlich Israelis entführen will. Während in der deutschen Version von „München“ alle Israelis deutsch sprechen, reden die Attentäter arabisch und werden untertitelt. Das schafft zusätzliche Distanz zum Zuschauer.

Nur einmal darf ein Palästinenser anderthalb Minuten erklären, warum er Israel bekämpft. Er sagt, er wolle nicht für den Massenmord bezahlen, den die Nazis an den Juden begangen haben. Außerdem wolle er eine „Heimat“ für seine Kinder.

Durch diese dürftige Erklärung scheint der Konflikt unauflösbar, weil beide Völker das gleiche Land als ihre Heimat beanspruchen.

In Wirklichkeit könnten Israelis und Palästinenser friedlich zusammenleben, wenn der Staat Israel ihnen die Menschenrechte zugestehen würde. Palästinenser haben keinen angeborenen Hass auf Juden, sondern wehren sich gegen Besatzung und Unterdrückung.

Am Ende behauptet Kauffmans Geheimdienstchef: „Wenn diese Menschen (die getöteten Araber) leben, müsste Israel sterben.“ Kauffman lehnt diese Idee ab, doch er weiß nichts darauf zu sagen.

„München“ ist eine Kritik an Gewalt. Doch hätte Spielberg gezeigt, dass niemand sterben muss, damit Israelis leben können, hätte er einen wirklichen Beitrag zum Frieden geleistet.

Dieser Beitrag wurde unter Filmkritik, Kultur veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.