Die Atommacht heißt Israel

Nicht Iran sondern vor allem Israel ist eine Bedrohung für Frieden und Stabilität im Nahen Osten, sagt Uri Davis im Gespräch mit Linksruck


Ein in Kiel gebautes U-Boot der Dolphin-Klasse im Dienste der israelischen Marine. Die Schiffe wurden Israel von der deutschen Regierung verkauft. Militärexperten vermuten, dass die israelische Führung versucht, die U-Boote atomwaffenfähig zu machen

Dr. Uri Davis ist Jude, in Palästina geboren und sowohl Israeli als auch Brite. Er ist beobachtendes Mitglied des Palästinensischen Nationalrats, Akademiker und Menschenrechtsaktivist. Zu seinen letzten Veröffentlichungen gehört: Apartheid Israel. Possibilities for the Struggel Within, englisch, 242 Seiten, Zed Books, 2004, 23,50 Euro.

Linksruck: Der iranische Präsident Ahmadinedschad forderte, Israel solle von der Landkarte des Nahen Ostens verschwinden

Wenn der Präsident eines Mitgliedstaates der UNO zur Beseitigung eines anderen Mitgliedstaates von der Landkarte aufgerufen hat, so ist das illegal und dumm. Die Idee eines jüdischen Staates, wie sie von der UNO-Vollversammlung in der Resolution 181(ii) entwickelt wurde, ist rechtlich vernünftig. Wir sollten uns aber daran erinnern, dass dieser jüdische Staat neben einem arabischen, das heißt palästinensischen Staat gegründet werden sollte, mit Jerusalem unter Verwaltung der UNO.
Diese legitime Idee eines jüdischen Staates sollte nicht zum Vorwand für ethnische Säuberung werden. Sie sollte durch und durch demokratisch sein. Das Problem ist: Die nationalistischen politischen Führer hatten niemals vor, Israel zu einer Demokratie im Sinne der UNO-Resolution zu machen.
Israel wurde, ähnlich wie Südafrika, als Apartheidsregime gegründet. Die Bewahrung der Mehrheit von Juden in den Gebieten unter israelischer Kontrolle ist im Gesetz verankert und praktisch umgesetzt.

Die iranische Regierung scheint Atomwaffen bauen zu wollen. Sollte die internationale Gemeinschaft eingreifen?

Eine meiner Kolleginnen, eine Iran-Expertin, versicherte mir, dass die iranische Atompolitik vollständig mit internationalem Recht und den Vorgaben der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in Wien übereinstimmt. Es gibt keine Rechtsgrundlage für eine Anklage Irans. Die ganze Analyse, wie sie in den Massenmedien dargestellt wird, ist voreingenommen und politisch manipuliert.
Aber es gibt einen Staat, der außerhalb des Rechts steht. Der nicht die Verträge zur Nichtverbreitung von Atomwaffen unterschrieben hat.
Der Nuklearforschung ohne jegliche Kontrolle durch irgendwen betreibt. Der, anders als Iran, jegliche IAEA-Inspektionen verweigert. Der, rechtswidrig, 200 oder mehr Atomsprengköpfe gelagert hat. Es ist der Staat, dessen Bürger ich bin: der Staat Israel. In diesem Zusammenhang sollten wir immer den Heroismus von Mordechai Vanunu begrüßen, dem israelischen Forscher, der den Schleier der Täuschung von Israels gefährlichem Atomunrecht entfernt hat.

Was bedeutet es, wenn der israelische Verteidigungsminister Mofas die Vorbereitung einer „Verteidigungsstrategie“ ankündigt, falls Iran Atomwaffen entwickeln sollte?

Es gibt einen Präzendensfall für die Bombardierung von Nuklearanlagen durch Israel. 1981 schickte Premierminister Begin Bomber nach Irak, ohne jegliche rechtliche Handhabe, und kam damit durch.
Iraks angebliche Produktion von Massenvernichtungswaffen dienten als Rechtfertigung für die illegalen US-geführten Golfkriege. Heute wissen wir, dass diese Behauptungen in Bezug auf Irak falsch waren und wahrscheinlich ähnlich falsch sind in Bezug auf Iran.
Auch wenn es keinen Beweis dafür gibt, dass die iranische Regierung den Bau von Nuklearwaffen plant, ist eine solche Militäraktion Israels möglich. Das Gerede über die „Verteidigung israelischer Bürger“ ist irreführend. Die Regierung will einfach der einzige Staat in der Region mit nuklearen Forschungskapazitäten – vom Besitz dieser Waffen ganz zu schweigen – bleiben.
Wir sollten sehr besorgt über einen israelischen Angriff auf Iran sein. Er würde die Instabilität des Nahen Ostens erhöhen und wäre gefährlich zuerst und besonders für die Menschen in Iran, aber auch in der ganzen Region und möglicherweise auch der ganzen Welt – und natürlich in Israel.

Was sollte die weltweite Antikriegsbewegung tun, um das zu verhindern?

Die Mittel der internationalen Friedensbewegung haben sich über Jahrzehnte bewährt. Sie waren nicht immer erfolgreich, aber wir hatten ermutigende Erfolge.
Die größten Auswirkungen hatten die Massenmobilisierungen der Zivilgesellschaft. Der Abzug der US-Truppen aus Vietnam war ein Erfolg der Antikriegsbewegung in den USA. Der Abzug hätte niemals stattgefunden ohne den Widerstand der Vietnamesen, aber die Bewegung innerhalb der USA war ebenfalls unverzichtbar.
Die Folgen dieser Bewegung waren überall zu spüren. Sie erschwerte auch die Unterdrückung von Menschen in anderen Ländern. Und die Bewegung brachte wichtige kritische Strömungen von Intellektuellen und Linken hervor.
Speziell für die Debatte in Deutschland möchte ich eine wichtige Unterscheidung zwischen Schuld und Verantwortung machen. So etwas wie Kollektivschuld gibt es nicht.
Ich bin nicht, und ich fühle mich auch nicht, schuld an der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern. Aber diese Politik wird in meinem Namen verübt, im Namen von Israelis. Es unterliegt meiner Verantwortung, laut zu rufen: Nicht in meinem Namen!
Und auch in Bezug auf Verbrechen, die europäische oder US-Regierungen möglicherweise an der iranischen Bevölkerung begehen werden, müssen wir darauf bestehen: Nicht in unserem Namen!

Dies ist die gekürzte Version eines Interviews, das in voller Länge in Linksruck-Argumente Nr. 9 erscheinen wird.

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