"Die Menschen hier kochen vor Wut"

Karim Tarabishi ist Ingenieur in der syrischen Hauptstadt Damaskus. Er gehört zu einer Gruppe von Antiglobalisierungs-Aktivisten und sprach mit Linksruck über die Proteste im Nahen Osten.
Karim, in den letzten Tagen gab es in Ägypten, im Jemen und vielen anderen Ländern im Nahen Osten Massenaufstände gegen Bushs Angriffskrieg gegen den Irak. Wie reagieren die Menschen in Syrien auf den Krieg?

Gestern kamen 50.000 Menschen zu einer Demonstration hier in Damaskus. Die Proteste konzentrierten sich auf die Botschaften der USA und Ägyptens. Die Polizei eröffnete das Feuer auf die Demonstration und tötete mehrere Menschen.
Die Menschen hier kochen vor Wut. Gleichzeitig haben sie große Angst, das nächste Ziel von US-Kriegen zu werden. Vielleicht wird auch Syrien bald verdächtigt, Verbindungen zu Al-Kaida zu haben. Ich bin mit dem Regime in Bagdad nicht einverstanden. Aber Bush geht es gar nicht darum. Es geht ihm um die Kontrolle über die Golf-Region. Die Menschen im Irak werden gerade zu Opfern dieser Politik.

Die Proteste im Nahen Osten richten sich nicht nur gegen den Kriegstreiber Bush, sondern auch gegen die arabischen Herrscher. Was macht die Menschen so wütend auf ihre Regierungen?

Wir haben hier eine kleine herrschende Elite, die den Krieg unterstützt. Auf der anderen Seite stehen riesige Demonstrationen gegen diesen Krieg.
Das Verhalten der ägyptischen Regierung ist sehr enttäuschend. Erst nach massenhaften Protesten in Kairo erklärte Mubarak, dass der Krieg ein großer politischer Fehler sei.
Die jordanische Regierung hat sich mit den USA verbündet. Sie erlaubt dem US-Militär, seine Angriffe von Luftwaffenbasen in Jordanien aus zu fliegen. Für irakische Flüchtlinge aber hat sie die Grenzen komplett dichtgemacht.

Und wie verhält sich die syrische Regierung?

Unsere Regierung hat den Krieg zwar verurteilt, aber auf Demonstranten schlägt sie ein. Es ist schwierig, hier zu demonstrieren, trotzdem tun es Zehntausende. Damit steht die Regierung vor einem Problem. Ihre Lage wird noch verschärft durch die Flüchtlinge aus dem Irak. Eine viertel Million Menschen aus dem Irak haben hier in Damaskus bereits Zuflucht vor dem Krieg gefunden, eine weitere Million Irakis werden noch erwartet.

Was bedeutet der Krieg gegen den Irak für die Palästinenser?

In den palästinensischen Flüchtlingscamps in Syrien haben auch tausende gegen den Krieg demonstriert. Alle Welt sieht auf den Irak, und sie befürchten, dass die israelische Regierung diese Gelegenheit ausnutzen wird, um die Vertreibung der Palästinenser zu verschärfen.

Was sind die nächsten Schritte für die Anti-Kriegsbewegung im Nahen Osten?

Wir werden den öffentlichen Widerstand gegen die US-Regierung und allen anderen Kriegstreibern fortsetzen. Die USA sollen nicht glauben, dass sie dem ganzen Nahen Osten ihre Interessen aufzwingen können.
Die Menschen hier sind unglaublich wütend. Und wir werden stärker noch sein, wenn alle zusammenkommen und wir uns organisieren.
Die Anti-Kriegsbewegung kann mit der Zeit zu einem zweiten Vietnam für die USA werden.

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