Wir sind laut gegen Lidl

Die Gewerkschaft ver.di hat eine Kampagne organisiert, damit Verkäuferinnen bei Discountern ihre Rechte bekommen.


Gewerkschafterin Angelika klärt Kunden auf: Bei Lidl sind nicht nur die Produkte, sondern auch die Löhne „immer billig“

Buchtipp
Andreas Hamann, Gudrun Giese: Schwarzbuch Lidl. Billig auf Kosten der Beschäftigten, 8 Euro plus Versandkosten. Zu bestellen bei: ver.di, Paula-Thiede-Ufer 10, 10179 Berlin, Tel.: 0 30 / 69 56 12 62, E-Mail: manina.walter@verdigmbh.de

Horst Kasten lässt sich nicht von seinem Ziel abbringen – genauso wenig wie die anderen Aktivisten der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die vor Lidl an der Berliner Heinrich-Heine-Straße protestieren. Als ver.di eine bundesweite Kampagne vor den Filialen begonnen hat, um bessere Arbeitsbedingungen und das Recht auf Betriebsräte bei Lidl durchzusetzen, hat das Management mit seinen Anwälten gedroht. „Wir zeigen, dass wir uns nicht wegjagen lassen“, sagt Horst gegenüber Linksruck.

Als Gewerkschaftssekretär für den Bereich Handel hat er die „Kundenwoche“ mitorganisiert. Vor Lidl-Filialen in ganz Deutschland haben Gewerkschafter und Mitglieder des globalisierungskritischen Netzwerks Attac einen ver.di-Aufruf für höhere Löhne und bessere Arbeitsbedingungen verteilt. Viele Lidl-Kunden haben ihn unterschrieben und als Zeichen der Solidarität den Angestellten gegeben. Auch Mitglieder der Linkspartei und der WASG haben sich dem Protest angeschlossen.

An der Heinrich-Heine-Straße sorgt ver.di mit starken Lautsprechern dafür, dass auch die Arbeiterinnen den Protest hören können. Denn niemand kann rauskommen, um für die Kolleginnen zu sprechen. Wie in fast allen Lidl-Filialen gibt es keinen Betriebsrat. Wer einen wählen lassen will, läuft Gefahr, gefeuert zu werden.

Im „Schwarzbuch Lidl“ hat ver.di typische Beispiele dafür gesammelt, wie der Konzern die Arbeiterinnen ausbeutet: „Pro Minute muss jede Lidl-Verkäuferin 40 Produkte über den Kassenscanner ziehen. Wer diese Vorgabe vier Monate nach der Einstellung nicht schafft, fliegt. Zur Not werden dafür dann auch Kündigungsgründe konstruiert (…) Mit der Begründung, dass Geld aus der Kasse verschwunden ist, sind schon etliche rausgeflogen. Leider können Filialleiter und andere Vorgesetzte jederzeit an unsere Kassenboxen, so dass Manipulationen möglich sind“, schreibt eine Angestellte.

Weil Lidl beim Personal spart, ist die Hetze groß. Und wer Überstunden macht, kann nicht damit rechnen, dass diese auch bezahlt werden. Aus Filialen in ganz Deutschland berichten Verkäuferinnen über ein Klima der Angst, Schikanen und Vorgesetzte, die durchdrehen, wenn ihnen jemand zu langsam ist. Vor allem ältere Kolleginnen werden eingeschüchtert.

Angelika Rimbach hat sich mit einem dicken Stapel des ver.di-Aufrufes direkt am Supermarkteingang an der Heinrich-Heine-Straße postiert. Die Postzustellerin befürchtet, dass die Lidl-Methoden Schule machen: „Viele Unternehmer wollen die Mitbestimmung der Arbeitnehmer mit allen Mitteln abschaffen. Aus diesem Grund bin ich hier, obwohl ich nicht bei Lidl arbeite.“ Horst Kasten sieht das auch so: „Wenn Lidl sich durchsetzt, ziehen andere Unternehmen nach. Das trifft uns dann alle.“

In zwei süddeutschen Lidl-Filialen haben die Arbeiterinnen seit dem Frühjahr einiges verbessert. Die Belegschaft hat zusammen mit ver.di die Wahl eines Betriebsrates durchgesetzt. Der Druck seitens der Vorgesetzten hat seitdem nachgelassen. Die Überstunden werden korrekt bezahlt und es ist mehr Personal eingestellt worden.

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