Sein Krieg ist Terror

In seinem neuen Buch beschreibt Hans von Sponeck, der ehemalige Leiter des UN-Hilfsprogramms im Irak, warum die US-Regierung den Krieg gegen den Irak um jeden Preis führen will.


Hans von Sponeck trat im Februar 2000 von seinem Amt in Bagdad zurück, weil er das Aushungern und die Verelendung der Zivilbevölkerung nicht länger mittragen wollte.
Vor einem Monat führte er ein Gespräch mit taz-Korrespondent Andreas Zumach, in dem er von seinen Erfahrungen berichtet und die brutale Politik der US-Regierung enthüllt. Das Interview ist nun zu einem Buch verarbeitet worden.
Hans von Sponeck, Andreas Zumach: Irak. Chronik eines gewollten Krieges, Kiepenheuer und Witsch, 2003, 112 Seiten, 7,90 Euro

Keine Demokratie

"Wie wichtig Washington damals (1991, die Red.) die Lebens- und Menschenrechte der Kurden und Schiiten tatsächlich waren, ist ja – vorsichtig formuliert – zumindest nicht eindeutig. Zunächst rief die Administration von Präsident George Bush sen. die Kurden und Schiiten zum Aufstand gegen Saddam Hussein und stellte dafür amerikanische Unterstützung in Aussicht. Doch als der Aufstand dann stattfand und Kampfhubschrauber der irakischen Streitkräfte die militärisch hoffnungslos unterlegenen Aufständischen zu tausenden niedermetzelten, durften die Piloten amerikanischer Kampfflugzeuge das Gemetzel zwar genauestens aus der Luft beobachten, aber nicht eingreifen."

Waffenlieferant USA

"Mit den USA, Großbritannien, Frankreich, China und Russland sind – mit Ausnahme Deutschlands – ja alle Länder, aus denen die umfangreichsten und wichtigsten Zulieferungen zum irakischen Rüstungsprogramm der 80er Jahre kamen, als ständige Mitglieder im Sicherheitsrat vertreten. Und diese Zulieferungen erfolgten in den meisten Fällen mit Wissen, Duldung und oftmals sogar mit Lizenzen und aktiver Förderung der jeweiligen Regierungen. Aus den USA – neben Deutschland der wichtigste Zulieferer zu den irakischen Entwicklungsprogrammen für Massenvernichtungswaffen – erhielt Bagdad Milzbrand-Erreger und andere Grundstoffe zur Entwicklung von biologischen und chemischen Waffen sowie Bauteile für Atombomben. Der heutige US-Verteidigungsminister Rumsfeld war 1983/84 als Sonderbeauftragter von Präsident Reagan für den Mittleren Osten ein willkommener Gast in Bagdad und zeigte sich bei seinen Besuchen auch öffentlich im freundlichen Gespräch mit Saddam Hussein. Sogar beim Einsatz der chemischen Waffen im Krieg gegen den Iran erhielt das Regime von Saddam Hussein aktive Unterstützung aus den USA: Das Pentagon stellte den irakischen Streitkräften Zieldaten aus seiner Satellitenüberwachung in der Golfregion zur Verfügung."

Keine Beweise 1

"Als einer der Kronzeugen für die Notwendigkeit eines Krieges diente mein ehemaliger Kollege in Bagdad, Richard Butler, der umstrittene Chef der UNO-Waffeninspektionskommision von 1997 bis 1998. Es sei nicht eine Frage, ob, sondern nur eine Frage, wie viele Massenvernichtungswaffen Saddam Hussein habe, erklärte Butler vor dem Senatsausschuss. Beweise für seine Behauptungen legte Butler nicht vor. Danach wurde er von den anwesenden Senatoren auch nicht gefragt. Butler empfahl den USA, statt mit der internationalen Gemeinschaft zu kooperieren, sollten sie Saddam Hussein möglichst schnell im Alleingang beseitigen, bevor es zu spät sei.
Nach dem 11. September haben die USA zusätzlich die Behauptung aufgestellt, der Irak verfüge über Massenvernichtungswaffen und diese stellten nicht nur eine Bedrohung für die unmittelbaren Nachbarn sondern für die Weltgemeinschaft, und damit auch für die USA, dar. Zum Schluss läuft alles hinaus auf die Frage der Beweisführung. Die ist bisher nicht erfolgt."

Keine Beweise 2

"Als Verteidigungsminister Donald Rumsfeld im Herbst 2002 auf einer Pressekonferenz in Washington behauptete, Mitglieder des Al-Quaida-Terrornetzwerkes bewegten sich frei im Irak und unterhielten Beziehungen zur Regierung in Bagdad, fand diese Behauptung am nächsten Tag prominenten Niederschlag auf den ersten Seiten der wichtigsten Zeitungen in den USA – ohne Überprüfung vor Ort im Irak. Dementis oder Korrekturen dieser Falschmeldungen erfolgten – wenn überhaupt – in sehr kleiner Aufmachung irgendwo auf den hinteren Seiten."

Blut für Öl

"Natürlich geht es nicht nur um die fünf Prozent der Welt-Ölproduktion – das ist der Beitrag des Iraks im Augenblick –, es geht der Bush-Administration vielmehr darum, die volle Kontrolle über die Energiequellen im Mittleren Osten und ihre Nutzung zu erlangen. Energiequellen, die natürlich auch für Europa und für Japan von erheblicher Bedeutung sind. Die Kontrolle über diese Energiequellen ist eine der Hauptinteressen der amerikanischen Politik in dieser Region. Und dabei ist Saddam Hussein ein Hindernis."

Kriegstreiber USA

"Einige Mitglieder oder führende Berater der Bush-Administration, wie etwa Richard Perle, unter Reagan stellvertretender Verteidigungsminister und heute Chef des wichtigsten Beraterstabes für das Pentagon, fordert bereits seit Jahren einen Krieg gegen Irak und den Sturz Saddam Husseins. Unter anderem hat Perle diese Forderung 1996 in einem Strategiepapier für eine grundlegende neue Politik der USA in Hinblick auf den Mittleren Osten formuliert."

Bürgerkrieg droht

"Die große Uneinigkeit der im Ausland lebenden irakischen Oppositionsgruppen wird nach einem Regimewechsel nicht einfach in große Einigkeit umschlagen. Im Gegenteil: Zunächst einmal ist mit verschärften, möglicherweise gewaltsam ausgetragenen Konflikten zu rechnen."

Sanktionen töten

"Die Kindersterblichkeit ist in den letzten 12 Jahren im Irak enorm angestiegen. Nach Angaben von Unicef sind seit 1991 mehr als 550.000 Kleinkinder im Alter von bis zu fünf Jahren gestorben, weil sie infolge der Sanktionen nur eine völlig mangelhafte Ernährung und medizinische Versorgung erhielten.
Wenn Bleistifte nicht in den Irak geliefert werden durften, weil sie Graphit enthalten, das laut US-Regierung auch eine militärische Verwendung haben könnte; wenn Schulbücher nicht gedruckt werden können, da die Reparatur der Druckmaschinen wegen zurückgehaltener Ersatzteile nicht möglich ist; wenn Landkarten, Atlanten, Laborgeräte und andere ganz normale Gebrauchsgegenstände für Schulen mit absurden Begründungen nicht importiert werden dürfen – dann sind das alles Hinweise darauf, dass man der Bevölkerung kein normales Leben ermöglichen will.
Als ich in Bagdad bei öffentlichen Auftritten auf meine Aufgabe und Verantwortung hinwies, über die Lage im Irak zu berichten, äußerte sich der Sprecher des Außenministeriums in Washington, James Rubin, mehrfach kritisch: Dieser Mann in Bagdad werde bezahlt, um zu arbeiten, aber nicht, um zu reden."

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