Der Feind der Freiheit

Johannes Paul II. verbreitete Hoffnung auf ein schönes Leben nach dem Tod. Christen, die die Welt verbessern wollten, hat der Papst bekämpft.


Der Papst 1987 mit dem chilenischen Diktator Pinochet. Er war 1973 mit einem Militärputsch an die Macht gekommen und hatte bis zu 80.000 Oppositionelle ermordet.

Er war gegen den Krieg der US-Regierung im Irak und gegen den Raubtierkapitalismus. Außerdem war Johannes Paul II. der einzige Papst, der sich dafür entschuldigte, dass die katholische Kirche nichts gegen die Ermordung der Juden durch die Nazis getan hat.

Trotzdem sagt Ernesto Cardenal, katholischer Priester und Befreiungstheologe aus Nicaragua: „Dieser Papst war ein großer Rückschlag und ein Unglück für Lateinamerika und die Welt.“ Denn schon zu Beginn seiner Amtszeit 1978 hat Johannes Paul II. Katholiken, die für ihre Freiheit kämpften, jede Unterstützung verweigert.

Als Karol Wojtyla Papst wurde, herrschten in den meisten lateinamerikanischen Ländern brutale Diktaturen. Hunderte Millionen Katholiken wurden von ihnen unterdrückt, ausgebeutet und ermordet.

Deshalb waren die meisten lateinamerikanischen Priester und Bischöfe Befreiungstheologen und vertraten die „Kirche der Armen“. Mit ihrer Hilfe wollten viele Katholiken für soziale Gerechtigkeit kämpfen und die Diktatoren stürzen.

Doch Johannes Paul II. wollte nicht, dass die Menschen sich von ihren Unterdrückern befreien. Nach seiner Auslegung des katholischen Glaubens sollen Menschen nur nach dem Tod auf eine bessere Welt hoffen. Christen, die ein besseres Leben wollten, hat der Papst bekämpft, weil sie die Macht der Kirche in Frage stellten.

Als Oscar Romero 1977 Erzbischof von San Salvador wurde, musste er immer wieder Messen für Arbeiter und Priester halten, die die Diktatur ermordet hatte. Bald wurde der Bischof zum berühmtesten Sprecher des Widerstandes gegen die Diktatur.

Im Februar 1980 bat Romero US-Präsident Carter, die neue Militärdiktatur nicht mehr finanziell zu unterstützen, doch er weigerte sich. Einen Monat später ließ das Militär Romero erschießen.

Johannes Paul II. hatte den Widerstand von zehntausenden katholischen Salvadorianern und Romero gegen die Diktatur auch nach dessen Ermordung mit keinem Wort unterstützt. Stattdessen besuchte der Papst Ende 1979 Carter, weil Johannes Paul II. den Kampf der USA gegen Freiheitsbewegungen in Amerika für einen Kampf gegen den Kommunismus hielt.

Im selben Jahr hatten die überwiegend katholischen Nicaraguaner Diktator Somoza gestürzt und eine linke Regierung an die Macht gebracht, der auch Cardenal als Kulturminister angehörte. Als der Pabst das Land 1983 besuchte, jubeln ihm in der Hauptstadt Managua hunderttausende zu. Auf einem Transparent steht zur Begrüßung: „Willkommen im freien Nicaragua, dank Gott und der Revolution“.Noch am Flughafen will Cardenal Johannes Paul II. begrüßen, indem er niederkniet, um seinen Ring zu küssen. Doch der Papst zieht seine Hand zurück und verlangt vom Minister, die Regierung zu verlassen, weil sich deren angeblich kommunistische Politik nicht mit dem Christentum vereinbaren lasse.

Seit 1980 versuchten die von den USA finanzierten „Contras“, die Regierung mit Anschlägen und Ermordungen ihrer Anhänger zu stürzen. Als die Mütter von 17 Schülern, die von den „Contras“ getötet wurden, den Papst bitten, in seiner Predigt für die Seelen ihrer Kinder zu beten, lehnt er ab und erwähnt die Terror-Organisation mit keinem Wort. Stattdessen beschuldigt Johannes Paul II. die „Kirche der Armen“, die Einheit der katholischen Kirche zu zerstören.

Weil immer mehr Menschen ihn mit „Wir wollen Frieden“-Sprechchören unterbrechen, kann der Papst seine Predigt nur zu Ende führen, indem er immer wieder um Ruhe bittet. Danach reist er sofort ab. 1987 besucht der Papst US-Präsident Reagan, dessen Regierung die „Contras“ mit umgerechnet über 250 Millionen Euro unterstützte und 1984 einen Angriff der US-Armee auf Nicaragua plante.

Auch als die Menschen in seiner polnischen Heimat die Chance hatten, die stalinistische Diktatur zu stürzen, verlor Johannes Paul II. keine Silbe darüber. Als am 14. August 1980 Arbeiter in Danzig ihre Werft besetzten, um das Recht auf eine freie Gewerkschaft zu erkämpfen, streikten im ganzen Land 16.000 Menschen aus Solidarität, obwohl Streiks verboten waren.

Kurz darauf fordert die Bewegung auch Presse- und Meinungsfreiheit, die Entlassung von politischen Gefangenen, das Recht auf Streik und das Recht auf eigene Medien der katholischen Kirche. Wären all diese Forderungen durchgesetzt worden, hätte die Regierung nicht an der Macht bleiben können.

In keinem Land vertrauten so viele Menschen dem Papst, wie in Polen. Ein Jahr zuvor jubelten ihm Millionen Polen zu, als er von der Regierung die Einhaltung der Menschenrechte forderte. Hätte er 1980 zur Ausweitung des Streiks und zum Sturz der Regierung aufgerufen, wäre eine Revolution möglich gewesen, die Freiheit für alle Menschen bedeutet hätte.

Doch während Gewerkschaften aus der ganzen Welt Delegationen nach Polen schickten, um den Arbeitern zu helfen, schwieg Johannes Paul II. Er glaubte zu Recht, dass Menschen, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen, weniger Hoffnung auf die Kirche setzen.

Kardinal Wyszynski, das Oberhaupt der polnischen Kirche, riet in einer Predigt vom Aufstand ab. „Er hat es damals unterlassen, die gesellschaftlichen Emotionen anzuheizen“, sagte der damalige polnische Diktator Jaruzelski später über den Papst.

Noch im selben Monat wurde der Streik mit dem Ergebnis beendet, dass die Regierung die unabhängige Gewerkschaft „Solidarität“ anerkennt. Doch 1981 wurde für zwei Jahre das Kriegsrecht verhängt, 5000 „Solidarität“-Aktivisten verhaftet und die Gewerkschaft wieder verboten. Als die Arbeiter dagegen protestierten, ermordete die Polizei 13 Menschen.

Johannes Paul II. hat öfter gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit gesprochen. Doch um den Einfluss der katholischen Kirche zu erhalten, hat er die Macht von Diktatoren und Kriegstreibern hingenommen.

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