Schuften für Krupp

Der Nazistaat war keine „Wohlfühldiktatur“, wie Geschichtswissenschaftler Götz Aly behauptet, meint Marcel Bois, Autor einer neuen Broschüre gegen Nazis.


Appell im KZ Dachau um 1935. Die Nazis richteten das KZ im März 1933 ein. Zunächst wurden dort hauptsächlich Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter eingesperrt.

Sozialabbau nutzt Nazis

Wenn du mehr über den Aufstieg Hitlers und den Kampf gegen die Nazis heute wissen willst, bestell die Broschüre „Stoppt die Nazis – Argumente gegen Rassismus und Faschismus“. Marcel Bois und Philipp Kufferath beschreiben, wie die Naziparteien vom Sozialabbau der Regierung profitieren, indem sie sich als soziale Alternative darstellen. Außerdem diskutieren die Autoren, wie wir verhindern können, dass die NPD in den Bundestag einzieht.
Die Broschüre kostet 3 Euro und ist erhältlich bei: Linksruck, Postfach 44 03 46, 12003 Berlin, Telefon: 030/63 22 56 10, E-Mail: info@linksruck.de

Vor kurzem erschien Alys Buch „Hitlers Volksstaat“. Es endet mit dem Satz: „Wer von den vielen Vorteilen für Millionen einfacher Deutscher nicht reden will, der sollte vom Nationalsozialismus und vom Holocaust schweigen.“ Was für Vorteile hatten einfache Deutsche von der „Wohlfühldiktatur“, wie Aly sie nennt?

Die Bezeichnung „Wohlfühldiktatur“ ist zynisch. Die Nazi-Diktatur hat über 6 Millionen Menschen ermordet und die Welt in den Zweiten Weltkrieg gestürzt.
Als erste hatten einfache Deutsche unter dem Terror der Nazis zu leiden: Juden, Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter. Kurz nach der Machtübernahme zerschlugen die Nazis die Reste der Demokratie und warfen tausende ihrer Gegner ins KZ.
Zwar hat Hitler Arbeitsplätze geschaffen. Das war aber nur durch die Aufrüstung möglich. Der allergrößte Teil der neuen Arbeitsplätze entstand in der Schwer- und Rüstungsindustrie oder in Branchen, die indirekt der Kriegsvorbereitung dienten, etwa dem Flughafen- und Autobahnbau.
Die Nazis haben auch einige Teile des Sozialstaats der Weimarer Republik beibehalten. Jedoch führten sie 1934 Zwangsarbeit für Arbeitslose ein. Wer sich dagegen wehrte, wurde eingesperrt oder ermordet.
Wer nicht eingesperrt war, lebte zu Beginn des Krieges zwar besser als die Menschen in den eroberten Ländern. Aber Aly selbst schreibt, dass beispielsweise die wöchentliche Fleisch- oder Fischration lediglich 350 Gramm betrug. Millionen einfacher Deutscher starben und litten in dem Krieg, den die Nazis begonnen hatten. Wer tot ist, fühlt sich nicht wohl.

Aly schreibt, dass sich der Staat im Zweiten Weltkrieg mehr um die Menschen kümmerte als im Ersten.

Die Nazis wussten, dass die Menschen ihnen die Gefolgschaft hätten verweigern könnten. Den Ersten Weltkrieg hatten Arbeiter und Soldaten 1918 mit Meutereien und Streiks beendet, weil sie nicht mehr getötet werden oder verhungern wollten.
Dabei haben die Menschen auch Kaiser Wilhelm II. gestürzt und die Betriebe demokratisiert. Viele kämpften damals für eine sozialistische Gesellschaft.
Für die Nazis war diese Revolution eine Niederlage und ein Verrat an Deutschland. Nach ihrer Machtübernahme verfolgten sie alle, die sie für schuld daran hielten: vor allem Juden und Linke. Gleichzeitig wollten die Nazis Widerstand verhindern, indem sie der Bevölkerung ausreichend Essen gaben.

Die Nazis ließen Wohlhabende und Konzerne für die Absicherung der Menschen bezahlen, schreibt Aly; beispielsweise durch eine Erhöhung der Körperschaftssteuer. Waren die Nazis gegen die Kapitalisten?

Die Nazis benutzten antikapitalistische Parolen und versprachen eine „nationalsozialistische Revolution“. Doch anstatt gegen die „Bonzen“ vorzugehen, erfüllte die Hitler-Diktatur die Wünsche ihrer Geldgeber aus den Großunternehmern und zerschlug die Organisationen der Arbeiterbewegung.
Auch der Flügel der NSDAP, der soziale Reformen forderte, wurde 1934 von Hitler kaltgestellt. Seine Politik nutzte Unternehmern.
Nach der Machtergreifung stiegen die Profite der Konzerne zusammen von 6,6 Milliarden Reichsmark 1933 auf 15 Milliarden 1938. Vor allem Unternehmen der Schwerindustrie wie Krupp profitierten von Hitlers Aufrüstung.

Aly meint, soziale Maßnahmen hätten die Herrschaft der Nazis weit mehr gesichert als ihr Rassismus. Stimmt das?

Nein, die Nazis benutzten den Antisemitismus, um ihre Mitglieder und Anhänger an sich zu binden, gerade weil sie keine soziale Politik machen wollten.

Doch Aly schreibt, dass die meisten Deutschen von der Verfolgung der Juden profitiert haben. Er nennt den Holocaust den größten Massenraubmord der Geschichte.

Das stimmt zum Teil: Die Nazis haben Millionen Juden enteignet und ihr Eigentum dem Staat und anderen Familien zugeführt. Aber das war nicht der Grund für den Holocaust, sondern eine Folge. Der Grund war der wahnsinnige Judenhass der Naziführer, der im Laufe der Zeit immer mörderischere Züge annahm.
Nach der Machtübernahme versuchten die Nazis zunächst durch Boykott jüdischer Geschäfte und zahlreiche Erniedrigungen, Juden zur Auswanderung zu zwingen.
Ab 1938 gingen sie mit offenem Terror gegen die jüdische Bevölkerung vor – wie zum Beispiel in der Reichspogromnacht. Da jedoch viele Menschen empört auf den Nazi-Terror reagierten, beschloss die Parteiführung, ihre Strategie zu ändern.
Sie verließ sich fortan auf Staat und Partei, um den Terror auszuüben. Die Nazis planten, Staatsapparat und moderne Industrie dafür zu nutzen, massenhaft Juden zu internieren und zu ermorden. Das war die Idee des Holocaust.
Ab 1939 gerieten Millionen Juden in den eroberten osteuropäischen Ländern unter deutsche Herrschaft. Die Nazis pferchten die Juden in den polnischen Großstädten in Gettos zusammen. Der nächste Schritt zum Holocaust war, sie zu erschießen oder verhungern zu lassen.
Nach dem Überfall auf die Sowjetunion 1941 erreichte die Vernichtung der Juden die nächste, die brutalste und letzte Stufe. Die Nazis fürchteten, den Krieg zu verlieren und gingen umso brutaler vor.
Millionen Juden wurden in KZs gebracht, wo Gaskammern ermöglichten, täglich tausende Menschen zu töten, ohne dass die mittlerweile traumatisierten Soldaten das direkt mit ansehen mussten.

Heute spielen Nazis sich wieder erfolgreich als Vertreter der einfachen Leute auf. Im September letzten Jahres haben drei Viertel der NPD-Wähler in Sachsen angegeben, die Partei wegen Hartz IV gewählt zu haben. Würde die NPD Hartz IV stoppen, wenn sie an der Regierung wäre?

Das ist unwahrscheinlich. Rechtsradikale Parteien in Regierungen haben ihre sozialen Versprechen nie gehalten.
Im Gegenteil: Wenn Nazis regieren, kürzen sie beim Sozialstaat. In Österreich ist die FPÖ seit 1999 in der Regierung und hat die größte Rentenkürzung seit 1945 und die Einführung von Studiengebühren durchgesetzt. Ähnliches macht die Nationale Allianz in der italienischen Regierung.
Auch dass die Nazis Gewerkschaften bekämpfen, beweist, dass sie nicht auf der Seite der Menschen stehen. So forderte die NPD während des Streiks bei Opel Bochum im Oktober in einem Demoaufruf die „Auflösung der Gewerkschaften“.

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