Zum Leben zu wenig

Sozialabbau treibt Menschen in den Tod: In Höxter hat sich ein arbeitsloser Familienvater wegen Hartz IV umgebracht.


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Wie Hartz IV jemanden zum Äußersten treiben kann, musste Margit Marion Mädel Ende Januar erleben. Den Mann, der vor ihrer Haustür in Höxter steht, kennt sie. Ihn und seinen Freund hat sie einige Male bei den Protesten gegen die so genannten „Arbeitsmarktreformen“ getroffen, auch mit beiden gesprochen.

Denn Margit ist in der Kleinstadt als Mitorganisatorin der Montagsdemos gegen Hartz IV bekannt und im „Bündnis Dreiländereck für soziale Gerechtigkeit“ sehr aktiv. Was ihr der Mann dann berichtet, kann sie kaum fassen: Sein Freund, ein 54-jähriger Familienvater, hat sich vor zwei Tagen im Keller erhängt – wegen Hartz IV. Er hinterlässt seine Frau und zwei Kinder.

Neben der Leiche lag ein Zettel als letzte Nachricht. Auf dem stand nur ein Begriff: „Hartz IV“. Der Mann war Maurer und seit vier Jahren arbeitslos, nachdem die Firma, bei der er gearbeitet hat, dichtgemacht wurde.

Er sei ständig auf der Suche nach einer neuen Stelle gewesen, jedoch erfolglos, erzählen Bekannte. „Sein Antrag auf Arbeitslosengeld II ist abgelehnt worden“, sagt Margit gegenüber Linksruck. Das und die Verzweiflung über die vergebliche Arbeitssuche waren zu viel für ihn.

Margit ist sicher, dass die Arbeitslosigkeit schon mehrere Menschen in den Tod getrieben hat. Kurz nach dem Selbstmord des arbeitslosen Maurers „rief mich ein Mann aus dem nahe gelegenen Bevern an. Er klang völlig verzweifelt. Dann sagte er: ‚Mir bleibt nur noch die Kugel. Ich mache auch Schluss!’ Zum Glück konnte ich ihn beruhigen.“

Seit zwei Jahren sei er arbeitslos und alle Bewerbungen wären umsonst gewesen, erklärt Margit: „Auch sein Antrag auf das neue Arbeitslosengeld ist abgelehnt worden. Und als er Widerspruch eingelegt hat, sagte ihm der Sachbearbeiter der Arbeitsagentur: ‚Sie müssen noch warten, erst sind andere Fälle an der Reihe. Bei ihnen kann es ein halbes Jahr dauern.’“

Der Arbeitslose und seine Familie können aber nicht warten. Sie hatten ein Haus gebaut und müssen Schulden tilgen. Den Antrag auf Arbeitslosengeld hat die Agentur abgelehnt, weil seine Frau angeblich zu viel verdiene. „Jetzt müssen die beiden von weniger leben als ein Hartz-IV-Empfänger hat“, erzählt Margit, „weil alles vom Geld der Frau bezahlt werden muss.“

Seit dem Selbstmord ist Margits E-Mail-Postfach voll. Ein Anti-Hartz-Aktivist aus Minden hat ihr geschrieben, dass es nun noch wichtiger sei, sich für die Betroffenen einzusetzen: „Jedes Menschenleben ist es wert, dafür zu kämpfen.“

Auch Margit organisiert weiter Proteste in Höxter. Das sei unbedingt nötig, sagt sie: „Ich will nicht daran denken, was noch alles kommt. Die da oben werden den Armen noch mehr wegnehmen.“

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