Die Wut bleibt

Die Umfragewerte der SPD steigen, die Beliebtheit ihrer Politik nicht.Die Verfechter des Sozialabbaus machen sich Mut: „Schröders Standhaftigkeit zahlt sich aus. Die Proteste gegen die Arbeitsmarktreform sind abgeflaut, die Umfragewerte für die SPD steigen. Der Regierung gelingt es allmählich, den Bürgern den Sinn ihrer Reformen zu vermitteln“, so das Handelsblatt.

Im März letzten Jahres befürchtete die SPD-Führung noch eine Serie von Wahlniederlagen bis zum Verlust der Bundesregierung bei den Wahlen 2006. Jetzt liegen SPD und Grüne in Umfragen für die nächsten beiden Landtagswahlen wieder knapp vorn: in Schleswig-Holstein 2 Prozent vor CDU und FDP, in Nordrhein-Westfalen 1 Prozent. Auch in Berlin hat die SPD erstmals seit anderthalb Jahren die CDU überholt. Auf Bundesebene ist der Vorsprung der CDU auf die SPD auf 7 Prozentpunkte gesunken.

Diese Umfragen beweisen jedoch nicht, dass die Menschen mit der Politik der rot-grünen Regierung zufrieden sind. SPD-Kanzler Schröder profitiert von der Krise der CDU. Ursache dieser Krise ist die weit verbreitete Ablehnung von Sozialabbau. Die CDU ist darüber zerstritten, wie sie nach einer möglichen Regierungsübernahme weitere soziale Kürzungen durchsetzen kann.

Die Vorsitzende Merkel will die Bosse von Beiträgen zur Krankenversicherung befreien und dafür jedem Arbeiter eine „Kopfpauschale“ von 180 Euro im Monat aufzwingen. Der Arbeitnehmerflügel der CDU und große Teile der CSU fürchten zu Recht, dass die Union mit einer solchen Politik ähnlich unbeliebt würde, wie die SPD durch die „Agenda 2010“. Auch der bayerische CSU-Ministerpräsident Stoiber und der stellvertretende CSU-Vorsitzende Seehofer wollen Politik für die Bosse machen, jedoch scheibchenweise.
Seehofer musste im November als stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion zurücktreten, weil er die Kopfpauschale als unsozial beschimpfte. Jetzt ist Seehofer zum zweitbeliebtesten Politiker hinter Außenminister Fischer geworden.

Auch das vorläufige Ende der Montagsdemonstrationen gegen Hartz IV heißt nicht, dass die hunderttausende, die vor vier Monaten auf der Straße waren, sich jetzt darüber freuen, dass Arbeitslose in die Armut gezwungen wurden.
Die Proteste sind abgeflaut, weil sie ohne Unterstützung der Gewerkschaftsführungen keine Chance hatten, Hartz IV zu stoppen. Dafür hätte die Bewegung auf den Westen und in die Betriebe ausgeweitet werden müssen. Nur die Gewerkschaften hätten das organisieren können.

Doch der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Sommer tat nichts, um die Demonstranten zu unterstützten. Der Vorstand der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di hat die Proteste gegen die Hartz-Einführung am 3. Januar sogar kritisiert. Der Widerstand gegen die unsoziale SPD-Politik wurde von der Gewerkschaftsführung geschwächt, nicht von der Beliebtheit des Sozialabbaus.

Weil Millionen mit Rot-Grün unzufrieden sind, war 2004 ein Jahr des sozialen Protests: Angefangen von der größten Gewerkschaftsdemonstration gegen eine SPD-Regierung am 3. April bis zu den Montagsdemos gegen Hartz IV.
Auch wenn die Bewegung momentan nicht auf der Straße ist – die Unzufriedenheit bleibt.

Ebenso wie die Angriffe der Regierung. Seit Jahresanfang haben 3 Millionen durch Hartz IV weniger Geld in der Tasche. Viele könnten gezwungen werden, ihre Wohnung aufzugeben. Laut Regierungsberechnungen bekommen 400.000 Arbeitslose jetzt keinen Cent Unterstützung mehr.

Schröder behauptet, die Reform würde Arbeitsplätze schaffen und das Wirtschaftswachstum erhöhen. In Wirklichkeit werden nur 1,4 Prozent Wachstum vorausgesagt. Laut Bundesanstalt für Arbeit ist es möglich, dass dieses Jahr über 5 Millionen arbeitslos sein werden. Die SPD könnte bei den nächsten Wahlen mehr Stimmen bekommen, als die genauso unsoziale CDU. Schröders Probleme sind jedoch noch lange nicht vorbei.

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