Wir erziehen die Bosse

Drei Studenten kämpfen gegen die Diktatur des Kapitals.Die antike Statue hängt an der Decke, die Stereoanlage liegt im Kühlschrank. Und die Möbel im Wohnzimmer sind zu einem Turm aufeinander gestapelt. Da staunen die Reichen nicht schlecht, als sie nach dem Urlaub in ihr Haus zurückkehren.

Das Chaos, das sie vorfinden, ist das Werk von Jan (Daniel Brühl) und Peter (Stipe Erceg). Die beiden Berliner Studenten brechen nachts in Villen ein. Sie stehlen nichts, aber bringen alles in Unordnung und hinterlassen Bekennerschreiben: „Sie haben zuviel Geld“ oder „Die fetten Jahren sind vorbei“ – unterschrieben von den „Erziehungsberechtigten“.

Peters Freundin Jule (Julia Jentsch) weiß nichts von diesen nächtlichen Einbrüchen. Sie hat Geldsorgen und kann ihre Miete nicht mehr bezahlen. Deshalb zieht sie in die WG von Peter und Jan.

Bald kommen sich Jan und Jule näher. Die beiden diskutieren über Politik, und Jan entschließt sich, Jule in das Geheimnis der „Erziehungsberechtigten“ einzuweihen. Doch ihre erste gemeinsame Aktion geht schief. Jan, Jule und Peter sehen sich dazu gezwungen, den Topmanager Hardenberg (Burghart Klaussner) zu entführen.

Die drei Freunde flüchten mit Hardenberg auf eine einsame Almhütte. Nun häufen sich die Verwicklungen: Jan und Jule verlieben sich ineinander, und Hardenberg entpuppt sich als Alt-68er, der einmal im Vorstand des SDS saß.

Zwischen politischen Debatten, Eifersuchtsszenen und Pastaessen nimmt das Geschehen manche unerwartete Wendung, und nach einer Weile weiß keiner der Beteiligten mehr, was von dem, was er getan hat, richtig oder falsch war.

Mit „Die fetten Jahre sind vorbei“ ist Regisseur Hans Weingartner ein Film gelungen, der leidenschaftlich danach fragt, wie die Welt verändert werden kann.

Weingartners kraftvolle und zugleich sensible Inszenierung sorgt dafür, dass keine Langweile aufkommt. Die Einbruchszenen fesseln mit schnellen Schnitten. In Dialogen lässt sich der Film Zeit, um die Gesichter der durchweg hervorragenden Schauspieler ganz nah an den Zuschauer heranzuholen.

So gelingt es dem Regisseur, seine Figuren in ihrer Widersprüchlichkeit nachvollziehbar zu machen. Wenn Jan zu Hardenberg sagt: „Wir leben in einer Diktatur des Kapitals“, dann spürt man seine Wut und Ratlosigkeit. Und wenn Hardenberg von seiner Vergangenheit erzählt, wird klar, dass er selbst nicht recht versteht, wie aus ihm ein Topmanager werden konnte.

Schließlich schöpft Weingartners Film auch das humoristische Potential seiner Geschichte aus – so muss Hardenberg irgendwann selbst das Kochen übernehmen, weil seine Entführer zu sehr mit ihrem Liebeskummer beschäftigt sind.

Nach „Gegen die Wand“ und „Schultze gets the Blues“ ist „Die fetten Jahre sind vorbei“ der dritte deutsche Film in diesem Jahr, der sich mit Mut und künstlerischer Originalität auf soziale Widersprüche bezieht. Wenn das so weiter geht, lässt sich sagen: Die fetten Jahre kommen erst!

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